Jetzt sind wir auf dem Weg nach Portugal und passieren das Kap Finisterre. Auf spanisch heißt es Cabo de Finisterre und auf galizisch Cabo Fisterra. Beides kommt vom lateinischen finis terrae – Ende der Erde. Hier endete für die Menschen früher ihre bekannte Welt.

Die spanisch-portugisiesche Grenze verschwindet völlig im Nebel, das kommt in den Sommermonaten vor Portugals Küsten häufig vor. Ein Problem ist das vor allem in Bezug auf die Fischernetze und Krabbenkörbe die man schon ohne Nebel schwer ausmachen kann. Verfängt sich so eine Leine im Propeller ist das schwerwiegend.

Jochen schaltet notgedrungen das Radar ein um Kollisionen mit anderen Schiffen, vor allem Fischerbooten zu verhindern. Die Sichtweite ist unter 50m, aber auf dem Radarschirm ist schräg hinter uns (seglerisch: auf 4 Uhr) das britische Segelboot „Golden Eye“ zu erkennen.

Der Flaggenwechsel der Gastlandsflagge findet dann etwas später statt als die Sonne wieder scheint.

Die nächsten beiden Nächte ankern wir in sehr schönen Buchten da ruhiges Wetter und wenig Wind angekündigt ist. Und wir nehmen dann auch unser erstes Bad im Atlantik – ganz schön kalt, eher wie Ostsee.
Ankern hat auch den Vorteil, das man die Hafenliegegebühren spart. Das ist nämlich auf Dauer ganz schön teuer, je nach Hafen hier in Spanien und Portugal zwischen 35 und 40 Euro. Und wenn man mit ausreichend Trinkwasser und Energie versorgt ist braucht man den Hafen nicht unbedingt.
Unser Dingi haben wir bisher nicht aufgeblasen und können so auch nicht an Land fahren. Später wird Jochen dann am Heck des Bootes 2 Davits montieren die er hat anfertigen lassen (Aufhängevorrichtungen für das Dingi). Man kann das Schlauchboot beim Segeln ja nicht hinterherziehen und es auf das Vorschiff zu legen ist auch etwas unbequem. Spätestens in der Karibik muss das Schlauchboot jede Nacht aus dem Wasser hochgezogen werden – ansonsten ist es am Morgen womöglich weg.
Unser erster portugiesischer Hafen ist Povoa de Varzim. Da auch der nächste Morgen wieder Nebel bringt, fahren wir von hier mit der Metro nach Porto. Wieder ein tolles Nahverkehrsangebot für gerade mal 2,60Euro pro Person.

In Porto scheint die Sonne – das war also eine gute Entscheidung.
Porto ist die zweitgrößte Stadt Portugals und hat eine wunderschöne Altstadt mit jeder Menge Jugendstil-Architektur.

Allerdings sind auch hier viele der Häuser nicht mehr bewohnt. Im Erdgeschoss sind oft noch Geschäfte, aber darüber zerfällt das Haus. Immobilienmakler versuchen Kaufinteressenten aus aller Welt zum Kauf und Erhalt der Häuser zu finden.

In Porto findet man – wie überall in Portugal – mit Azulejos (glasierte und bemalte Kacheln) verkleidete Häuser. Sie sollen das Innere vor Hitze und Feuchtigkeit schützen. Das Wort Azulejo geht auf das Arabische (al-zuleycha) zurück und bedeutet „poliertes Steinchen“, denn die Kacheln sind mit den Mauren nach Portugal gekommen. Als später das Majolika Verfahren aus Italien dazu kam, konnten die Künstler auch großflächig Figuren-Malerei auftragen und im zweiten Brand mit der Scherbe verschmelzen. So verschönern heute Azulejos ganze Kirchenfassaden.

Hier fährt eine Straßenbahn im regulären Betrieb, die man woanders höchstens noch in einem Museum finden kann.

In dieser kleinen Strasse sind die Spaziergänger und Einkäufer gleich auf die zweite Ebene ausgewichen.

Wir haben das Boot inzwischen direkt nach Porto verholt. Das war nur noch eine Strecke von ca. 2,5h und diesmal ganz ohne Nebel. Im Hafen treffen wir die Cavatina wieder.
Abends gehen wir nahe der Marina in Gaia, das liegt auf der anderen Seite des Flusses Douro, essen. Hier sieht alles noch sehr wenig touristisch aus. In den schmalen Straßen sitzen die Bewohner auf ihren Plastikstühlen vor dem Haus, neben ein paar Blumentöpfen. Auf der Strasse stehen große Holzkohlegrills auf denen meist Fisch gegrillt wird. Wir bestellen gegrillten Fisch und bekommen ihn – mittig aufgeschnitten und gut gegrillt – mit ein paar Pellkartoffeln dazu. Um uns herum sitzen viele Einheimische, da haben wir also richtig gewählt. Der Wein ist großartig und wir bekommen auf der anderen Strassenseite auch noch ein portugiesisches Strassentheater geboten. Ca. 1,5h lang gibt es mit teilweise bis zu 40 Beteiligten heftigste verbale Auseinandersetzungen begleitet von theatralischen Gesten. Aber auch während der heftigsten Schreierei und Rangelei wird niemand handgreiflich. Einer der Hauptinitiatoren des Streites, ein älterer Mann, muss allerdings mit der ersten Hilfe abgeholt werden. Es war wohl doch zu aufregend für ihn. Später, als alles schon fast ruhig geworden ist, kommt auch noch die Polizei. Die Besitzerin des Cafés, vor dem das Ganze vor sich ging, hatte sie gerufen. Wir fragen die Serviererin was eigentlich der Grund für den Streit war. Sie meint es fing zwischen Mann, Frau und Tochter an und dann kam die ganze Nachbarschaft dazu und uralte Familienstreitereien wurden wieder ausgegraben. Spätestens morgen sei aber alles wieder vergessen. In Berlin wäre das bestimmt nicht ohne Blutvergiessen abgegangen. Jochen hat zwischenzeitlich schon nach einem Fluchtweg Ausschau gehalten.


Nahe bei unserer Marina gibt es eine kommunale Wäscherei. Das ist ein ziemlich modernes Gebäude mit mehreren Wasserbecken. Als wir am Abend daran vorbeikommen sehen wir nur auf die Wäsche auf der Leine hängen. Wir können uns gar nicht vorstellen das man dort wirklich noch per Hand wäscht. Aber am nächsten Tag sehen wir die Frauen des Ortes bei dieser wahnsinnig schweren Arbeit. Erst wird das Wäschestück auf dem breiten Rand heftig mit Seife eingerieben, danach kommt die Wurzelbürste und dann wird ewig gespült und gewrungen. Aufgehängt wird die Wäsche auf der filigranen Konstruktion aus hunderten Stäben und Leinen.


In der Marina bietet man uns an in einer befreundeten Portwein-Kellerei eine Verkostung mitzumachen. Der Portwein stammt genau von hier aus der Region rund um den Fluss Douro. Die Römer haben mit dem Weinanbau in dieser Gegend begonnen. 1373 unterzeichneten die Portugiesen mit den Engländern ein Handelsabkommen, das sie berechtigte als Gegenleistung für die Lieferung von Portwein nach England vor der britischen Küste zu fischen. Früher konnte man anscheinend mit den Engländern noch vernünftige Verträge machen. Nach dem Methuenvertrag zwischen Portugal und England 1703 liessen sich viele Engländer im Douro-Tal nieder. Zeitweise waren 15% der Einwohner Portos Engländer.
Während des Rundgangs in der Kellerei erfahren wir zum Beispiel, das Portwein zwischen 19 und 22 Volumen-% Alkohol aufweist und der Anteil der Engel – das was aus den Fässern während der Zeit der Lagerung verdunstet – 2% ist. Danach wird verkostet. Wir bekommen 3 Sorten, allerdings nicht die allerteuersten Vintage-Portweine.

Gemeinsam mit der Cavatina schauen wir jeden Tag die Wetterprognosen an. Gerade ist auf dem Atlantik ein Sturmtief durchgezogen. Aber morgen, Dienstag den 03.08.2019, sollten die Wellen sich wieder etwas abgeschwächt haben. Die Strecke nach Lissabon beträgt 170 Seemeilen und so werden wir die kommende Nacht durchfahren müssen. Um während der Dunkelheit nicht in die Fischernetze zu geraten, müssen wir ca. 20 Seemeilen bis zur 100m Wassertiefenlinie rausfahren. Der Cavatina ist auf der Fahrt hierher eine Leine in den Propeller gekommen und sie musste sie durch einen Taucher wieder rausfummeln lassen.







