Sint Maarten 05.04. – 12.05.2020 Full shutdown (Teil 3)

Mit einer Vorankündigung von 5 Stunden (nur wenn man ständig die Nachrichten im Internet verfolgt erfährt man dies überhaupt) wird eine totale Ausgangssperre verhängt, auch alle Lebensmittelläden sind geschlossen. Wir dürfen uns maximal auf dem Boot und dem kleinen Steg bewegen.

Hintergrund dieser Maßnahme ist, dass sich die Einheimischen kaum an die vorgegebenen Restriktionen gehalten haben und die ersten Toten zu verzeichnen sind.

Pro 100000 Einwohner gesehen, ist jetzt St. Maarten auf dem 6. Platz der Coronatoten.

Später erfahren wir, dass von den insgesamt 13 Corona Toten, 10 illegale Einwanderer aus Haiti waren. Sie fürchteten ihre Abschiebung und gingen erst zum Arzt als es zu spät war.

Damit steht auch die Fertigstellung unseres Geräteträgers in Frage. Wir haben genug Vorräte an Bord, nur Obst und Gemüse sind knapp. Es geht aber auch eine Weile ohne.

Im Tagesspiegel war schon wieder ein Artikel über (uns) gestrandete Karibiksegler.

Die Einheimischen sagen uns, dass man auf der Insel nur zum Sterben ins Krankenhaus geht, die Gesundheitseinrichtuugen sind bescheiden. Wir sind froh, dass St. Maarten noch zum Königreich der Niederlande gehört. Ein großes Militärflugzeug der Royal Netherlands Army ist mit einer Intensivstation (6 Betten) und medizinischer Ausrüstung auf der Insel gelandet. Ausserdem wurden 2 Kriegsschiffe mit Marinesoldaten aus den Niederlanden geschickt um die Inselpolizei zu unterstützen, man befürchtet Unruhen oder Übergriffe.

Abends setzen wir uns an das Stegende für den berühmt berüchtigten Sundowner. Gegen 18.30 Uhr, wenn die Sonne gerade untergegangen ist, findet in unserer Bucht oft ein kurzes Konzert der größeren Schiffe mit ihren Schiffshörnern statt. Das gibt es erst seit den Shutdown und soll wahrscheinlich heissen „Hallo wir leben noch!“.

Da im Hafen wenig Wind zu spüren ist, heizt sich unser Boot stark auf. So sind wir mit unserem Strandzelt auf den Steg umgezogen und haben 3 Nächte darin verbracht. Dann fing es abends öfter an zu regnen und wir mussten zurück aufs Boot ziehen.

Die geringen Bewegungsmöglichkeiten machen uns zu schaffen, Jochen hat erstmals seit Reisebeginn wieder Rückenschmerzen, Natascha versucht sich mit Yoga gegen die beginnende Blockade der Halswirbelsäule zu wehren. Abends hören wir verschiedene Hörbucher und Podcasts oder spielen Back Gammon.

Glücklicherweise hat die Gaststätte, die direkt neben unserem Steg ist, den Hotspot angelassen als sie geschlossen hat. So können wir wenigstens ohne größeren Aufwand mit der Familie und den Freunden über Whatsapp oder Skype kommunizieren.

Eigentlich wollten wir Ostern zu Hause sein, unsere Flüge wurden aber storniert. So haben wir unsere Bordkatze zum Osterhasen – sozusagen zu einem Löffeltier – umgestylt.

Am 16. April sollte der Carneval auf St. Maarten beginnen, die Einheimischen feiern trotz Ausgangssperre und die Polizei kann es kaum verhindern. Neue niederländische Militärpolizisten werden eingeflogen und können sich besser durchsetzten. In einen Facebook-Video wird ein schwarzer Polizist ausgelacht und verhöhnt. Dann kommt ein Millitärpolizist und haut dem Rädelsführer eine rein. Diese Sprache wird verstanden, alle gehen friedlich nach Hause.

Bei einer Gesundheitskontrolle werden wir nach unserem Befinden befragt, es soll die Statistik auf Vordermann gebracht werden. Auch die Polizei kontrolliert ab und zu mal unseren Steg und den Hafen.

Teilweise ist es extrem heiss, auf dem Teakdeck messen wir tagsüber fast 70°C, entsprechend heizt sich unser Boot auf. Wir verstehen jetzt warum fast jeder Ami eine Klimaanage an Bord hat. Mit unseren Dinghy fahren wir zum Supermarkt (hat jetzt Mo,Mi und Fr offen) und nutzten die Chance am Strand schnell mal ins Wasser zu springen, eine Wohltat.

Wir machen Druck bei FKG das unser Geräteträger fertiggestellt werden soll. Es gibt die Genehmigung seitens der Regierung, dass die angefangenen Arbeiten beendet werden dürfen damit die Segler aus dem Hurrikangebiet raus können. Die Saison beginnt im Juni.

Wir bereiten uns auf eine Heimreise über den Atlantik vor, hoffen aber das eine der hurrikansicheren Inseln aufmacht um das Boot dorthin zu bringen. Wir haben Anfragen in Trinidad, Curacao, Panama gestellt. Diesel haben wir schon gebunkert da man meist durch ein riesiges windarmes Gebiet muß um zu den Azoren zu gelangen. Der Heimweg ist nicht unsere 1. Wahl, sind es doch weit über 4.000sm und bisher gibt es keine Möglichkeit unterwegs einen Hafen anzulaufen, alle sind gesperrt.

St. Maarten will sich in den nächsten Wochen öffnen, für uns zu spät. Das einzige Land, in das man zur Zeit problemlos einreisen kann, ist die USA, wir ziehen jetzt auch diese Variante in Betracht. Freunde haben uns die Brunswick (Braunschweig) Marina in Georgia empfohlen. Das notwendige, spezielle B2 Visum haben wir uns schon in Berlin beschafft. War umständlich und teuer und mit einem Interview in der Botschaft verbunden. Andere Segler haben versucht hier in der Karibik dieses Visum zu bekommen, leider vergeblich – alle US-Botschaften sind geschlossen. Flieger gehen aus den USA regelmäßig nach London und Antwerpen. Dann könnten wir hoffentlich zu Nellis (jüngstes Enkelkind) 1.Geburtstag wieder in Berlin sein. Im nächsten Jahr könnten wwir von dort aus eine 2. Saison in der Region verbringen.

Unser Geräteträger ist, nach einigen Änderungen, fertig !!!!!!! geworden und wir planen unsere Abfahrt.

Da wir mehr als 10 Wochen unser Boot nicht bewegen konnten, ist unser Unterwasserschiff eine blühende Unterwasserlandschaft geworden. So kann man nicht los, der Bewuchs würde uns mind. 2 kn Geschwindigkeit kosten. Das sind bei den langen Distanzen gleich einige Tage die man später ankommt. Jochen wollte dies eigentlich selbst machen, aber nicht im Hafenwasser sondern draußen in der Bucht wo schön klares Wasser ist. Leider nicht möglich da, wenn man ausklariert recht zügig die Insel verlassen muß. Auf einen Tip hin haben wir einen Profitaucher angesprochen der dies viel besser und schneller (für 100$) sehr gut gemacht hat.

Nataschas Geburtstag fand diesmal ohne Geburtstagsgäste statt.

Am letzten Abend haben wir die Spanier Olga und Ismail auf einen Abschiedstrunk eingeladen. Sie lagen mit uns seit Wochen mit ihrem Katamaran am Steg und hatten wie wir keine Kontakte nach aussen. So wurde auf die soziale Distanz etwas verzichtet.

Wir entscheiden uns nach langer Überlegung für die USA-Variante und verlassen nach 78 Tagen St. Maarten am 12.05.2020. Am Steg winken uns die Zurückgebliebenen zu, auf See kontrolliert uns noch die Coastguard recht freundlich.

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